Nordhorn. Eine Jury im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung hat kürzlich Nordhorn mit dem Fahrrad erkundet. Die Jurymitglieder geben dem Ministerium eine Empfehlung, ob die Kreisstadt zukünftig offiziell den Titel „Fahrradfreundliche Kommune Niedersachsen“ tragen darf. Die Stadtverwaltung hatte im Januar einen entsprechenden Antrag beim Land gestellt. Die Stadt Nordhorn ist Gründungsmitglied des Netzwerkes Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) und kann sich als AGFK-Mitglied für die Zertifizierung „Fahrradfreundliche Kommune“ bewerben.

In Nordhorn wird viel für den Radverkehr getan. Das belegen unter anderem vordere Plätze bei Preisverleihungen wie dem Deutschen Fahrradpreis oder dem ADFC Fahrradklimatest. Doch die offizielle Bezeichnung „Fahrradfreundliche Kommune Niedersachsen“ darf Nordhorn bislang nicht tragen. Das möchte die Stadt mit dem Antrag ändern.

In einem umfangreichen Antrag hatte die Stadtverwaltung der AGFK dargelegt, was Nordhorn besonders fahrradfreundlich macht. Um diese Angaben zu überprüfen, kam die Jury nun nach Nordhorn und ließ sich einen halben Tag lang von Bürgermeister Thomas Berling, Stadtbaurat Thimo Weitemeier und dem Team der Stadtverwaltung Radwege, Abstellanlagen und vieles mehr zeigen. Doch auch in den Bereichen Fahrradklima, Verkehrssicherheitsarbeit, Berufsradverkehr, Fahrradtourismus und Freizeitverkehr gilt es zu Punkten, um zertifiziert zu werden.

Fahrrad und Zug

Die Tour begann in Bad Bentheim, wo die Jurymitglieder mit dem neuen Regiopa-Express der Bentheimer Eisenbahn abgeholt wurden. Auf der Testfahrt bis zum neuen Haltepunkt Blanke konnten sie die Ausstattung der Züge prüfen, die Anfang Juli offiziell an den Start gehen sollen. Im Eingangsbereich haben bis zu zwölf Fahrräder Platz und können sicher befestigt werden. An den Ein- und Ausstiegspunkten gibt es außerdem überdachte Fahrradabstellplätze.

Vom Haltepunkt Blanke ging es mit dem Bus weiter. Das Nordhorner Unternehmen Richters Reisen präsentierte seinen modernen Fietsenanhänger mit innovativem Verladesystem für bis zu 32 Fahrräder oder Elektroräder. Startpunkt der eigentlichen Fahrradtour war schließlich der Grenzübergang Frensdorfer Haar am Nordhorn-Almelo-Kanal. Wer kein eigenes Rad dabei hatte, wurde hier vom VVV-Stadt- und Citymarketing Nordhorn mit einer Leih-Fietse ausgerüstet.

Schneller mit dem Rad

Anschließend konnten die Jurymitglieder das erleben, was für Nordhorner*innen selbstverständlich ist: In nur wenigen Minuten durchquerten sie Nordhorn auf dem sogenannten Komfortradweg entlang des Nordhorn-Almelo-Kanals kreuzungsfrei von Süden nach Norden. Stadtbaurat Weitemeier wies unterwegs auf das grüne Netz kurzer Wege und Abkürzungen für den Radverkehr hin, das sich abseits der Haupt-Autostrecken aufspannt. „In Nordhorn lassen sich viele Strecken innerhalb der Stadt mit dem Fahrrad schneller als mit dem Auto zurücklegen“, so Weitemeier.

Am Polizeikommissariat Nordhorn stellte Polizeihauptkommissar Heinz Wübben die vielen fahrradbezogenen Aktivitäten der Nordhorner Polizei vor. Die weitere Strecke verlief unter anderem über die neu markierten Nordhorner Fahrradstraßen, über Straßen mit Piktogrammspuren für den Radverkehr auf der Hauptfahrbahn sowie durch die größtenteils für den Radverkehr geöffnete Innenstadt. Hier zeigte die städtische Klimaschutzmanagerin für Mobilität Anne Kampert einige der zahlreichen neu installierten Fahrradständer. „Alle neuen Abstellanlagen haben felgenfreundliche Bügel nach ADFC-Empfehlung und die alten Anlagen wurden entsprechend umgerüstet“, so Kampert. Weitere zusätzliche Standorte sind bereits geplant.

Bike, Bahn, Boot und Bus

Am VVV-Turm lud das Stadtmarketing die Jury zu einem kurzen Bootstrip über den Vechtesee ein. VVV-Geschäftsführer Matthias Bönemann stellte unterwegs die bestehenden und zukünftigen Angebote für den Radtourismus vor. „Unser Ziel ist der freie und unkomplizierte Wechsel zwischen Bike, Bahn, Boot und Bus an möglichst vielen Knotenpunkten im Stadtgebiet“, so Bönemann.

Im weiteren Verlauf der Fahrradtour stellte die städtische Gleichstellungsbeauftragte Anja Milewski ihr erfolgreiches Fahrradprojekt vor: Die Radfahrkurse für Frauen aus aller Welt sind seit über acht Jahren regelmäßig ausgebucht. „Mobil zu sein und selbstbestimmt von A nach B kommen zu können, das sind ganz entscheidende Faktoren für eine gelungene Integration und natürlich auch für Chancengleichheit“, sagt Milewski. Andrei Herrmann von der städtischen Abteilung für Straßenbau und Verkehr zeigte außerdem die Softwarelösung VIA VIS. Damit erfasst die Stadtverwaltung laufend den Zustand aller Radwege und kann Erneuerungsarbeiten bedarfsgerecht planen.

Viel geschafft, viel zu tun

Auf das Thema Radwegeerneuerung ging auch Bürgermeister Berling am Ende der rund dreistündigen Bereisung ein. Da Nordhorn schon vergleichsweise früh auf den Bau von Radwegen gesetzt habe, seien viele Verbindungen bereits deutlich in die Jahre gekommen: „Wir haben viel geschafft, aber wir haben auch noch viel Arbeit vor uns, das wollen wir hier gar nicht verschweigen“, so der Bürgermeister. Die vielen laufenden, geplanten und abgeschlossenen Radverkehrsprojekte seien aber Ausdruck einer großen Begeisterung für das Thema: „Wir haben ein einstimmig verabschiedetes Radverkehrskonzept, das heißt auch die Politik steht geschlossen hinter der Entwicklung zur Fahrradstadt Nordhorn.“

Ergebnis im September

Bekommt Nordhorn den Titel „Fahrradfreundliche Kommune Niedersachsen“? Das Ministerium wird am 25. September die Kommunen bekanntgeben, die zertifiziert werden. Dieses Jahr liegen insgesamt fünf Anträge vor. Bei einem Erfolg gilt die Zertifizierung anschließend für die Dauer von fünf Jahren.

Die Jury

Die Jury setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Landtagsfraktionen, verschiedener Ministerien und Landesbehörden, der kommunalen Spitzenverbände, der TourismusMarketing NIedersachsen, der Landesverkehrswacht, dem ADFC Niedersachsen und der AGFK zusammen.